Eine kleine Geschichte des gastgewerblichen Berufsstandes.
Im späten Mittelalter, als hierzulande Familiennamen aufkamen und sich Städte und das Gewerbe organisierten, wurden Personalkosten schon zu einer öffentlichen Angelegenheit: 1540 etwa erliess die Stadt Bern eine «Gesindeordnung», die unter anderem Dienstzeiten regelte. Folglich entstand auch ein Gericht, das Streitfälle behandelte. Es tagte bis zum Zusammenbruch des Patriziates Ende des 18. Jahrhunderts regelmässig und hatte auch gastgewerbliche Fälle zu entscheiden. So klagte die Stubenmagd Henriette Gässli 1792, der Berner Schmiedenwirt Dik habe sie ohne Bezahlung aus dem Hause gejagt. Sie verlange «ihren halben Jahrlohn, für welchen sie gedinget worden».
Arbeitsverhältnisse waren damals in der Regel auf ein halbes oder ein ganzes Jahr befristet. Als übliche Dienstantritte galten Lichtmess, am 2. Februar, Martini, 11. November, und Jakobi, 25. Juli. Im streng regulierten Gastgewerbe, dessen Betriebe meist Eigentum der herrschenden Familien oder der Kirche waren, gab es zwar in den Betriebsführungen und in der Küche Fachkräfte (siehe oben). Insgesamt waren die Mitarbeitenden jedoch Gesinde – dass sich Gesindel als übel beleumundetes Wort erhalten hat, spricht Bände.
Die Geringschätzung des Gastgewerblichen zeigt sich auch darin, dass die Branche in den Anfängen des Berufsbildungswesens fehlt. Zwar hatte namentlich der Kochberuf bereits in der Antike hohes Ansehen, das bis heute in «lukullischen» Genüssen nachklingt. Aber als sich im späten Mittelalter Gilden und Zünfte formierten und Berufsbilder bauten, waren da wohl Metzger und Bäcker und Brauer vertreten. Doch das Gastgewerbe fehlte.
Der Koch kehrte erst mit den verfeinerten Sitten vorab an Königshöfen auf die gesellschaftliche Bühne zurück: Eine neue Ära der Wertschätzung von Kochkünstlern begann, als die Italienerin Katharina von Medici im späten 16. Jahrhundert ihren Leibkoch Tano Marotto mit nach Frankreich nahm, wo sie den späteren König Heinrich II. heiratete. Auf Marotto folgten etwa der Franzose Pierre de la Varenne, der Schweizer Fritz Watel, weiter natürlich Auguste Escoffier und nicht zuletzt Paul Bocuse.
Diese Wertschätzung galt aber einerseits lange nur Männern, was sich am Berufsbild zeigte: Noch vor einer Generation gab es in der Schweiz die kurze Lehre zur Köchin und die lange zum Koch. Andererseits waren und sind die Löhne im Gastgewerbe kein Abbild der Bewunderung gastronomischer Spitzenleistungen: In weiten Teilen der Welt leben die Servicemitarbeitenden weitgehend vom Trinkgeld. Doch als 1974 in der Schweiz der Service gesetzlich inbegriffen wurde, befürchteten ausgerechnet gastgewerbliche Gewerkschaften Lohneinbussen.
Gleichzeitig schafften es die Gewerkschaften in der Schweiz aber schon früh, die Branche für Lohnabkommen zu gewinnen: Bereits 1948 traten hierzulande erste Gesamtarbeitsverträge in Kraft. Sie kommen mit kantonalen Mindestlöhnen erst dieser Tage systemisch unter Druck, und für Verunsicherung sorgen wie einst beim Trinkgeld wieder vorab Gewerkschaftskreise.